Policy Analysis zur BürgerInnen-Beteiligung an Energiewende-Projekten

Oikoplus
5 min readSep 2, 2020

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Das Team von Oikoplus hat das Forschungsprojekt energyPOLITIES des University College Cork (IE) unterstützt.

Am University College im südirischen Cork geht eine Gruppe von ForscherInnen der Frage nach, wie sich Energiewende-Projekte durch BüerInnen-Beteiligung realisieren lassen. Das Projekt wird von Niall Breffni und Niall Dunphy geleitet. Und da die beiden Wissenschaftler bereits in anderen Forschungsprojekten den Eindruck gewonnen hatten, dass BürgerInnenbeteiligung an der Energiewende in Österreich ganz besonders gut funktioniere, stellten sie in ihrem Forschungsprojekt unter anderem auch einen methodischen Vergleich zwischen Irland und Österreich an.

Oikoplus wurde von den irischen Wissenschaftlern beauftragt, in einer Reihe von Interviews zum Thema BürgerInnenbeteiligung an Solarenergieprojekten, zu erheben, was nötig ist, um die Unterstützung von BürgerInnen für solche Projekte zu gewinnen. Dazu wurde eine Case Study im niederösterreichischen Ternitz durchgeführt, wo zwischen 2013 und 2016 ein Solarkraftwerk entstanden ist, an dem sich BürgerInnen aus der Stadtgemeinde finanziell als Investoren beteiligt haben. Insbesondere lag es im Forschungsinteresse, wie das Projekt ablief, ob es Widerstände dagegen gab, und wer die „Driving Forces” innerhalb der lokalen Community wahren. Doch zunächst einmal, musste das nicht umkomplexe Geschäftsmodell in den Interviews geklärt werden.

Das Geschäftsmodell des BürgerInnen-Solarkraftwerks in Ternitz sieht in etwa so aus: Die Stadtgemeinde Ternitz stellt unentgeltlich die Dachflächen auf ihren Gebäuden zur Verfügung. Darauf wurden Solarpaneele installiert, die von den BürgerInnen, die sich beteiligten, bezahlt und damit erworben wurden. Die Firma, von der die Installation der Solarpaneele durchgeführt wurde, „mietet” die installierten Anlagen zu einem festen Tarif von den BürgerInnen und speist im Gegenzug den produzieren Solarstrom gewinnbringend ins Netz ein. Den beteiligten BürgerInnen wird diese Miete in Höhe von 3,5 Prozent des Investitionsvolumens jährlich als „Verzinsung” bzw. „Dividende” ausgezahlt.

Nach einer vereinbarten Laufzeit von 13 Jahren erhalten sie zudem die ursprüngliche Investitionssumme zurück und die gesamte Anlage geht in den Besitz der Betreiberfirma über. Weitere drei Jahre späte wechselt die gesamte Anlage erneut die Besitzerin und geht ins Eigentum der Stadtgemeinde über, auf deren Dachfläche sie ja auch installiert ist. Die Stadtgemeinde wird somit 16 Jahre nach Errichtung des Solarkraftwerks zum Stromanbieter. Die Investitionskosten wurden bis dahin zur Gänze von der BürgerInnen getragen, die davon auch noch finanziell profitiert haben — ebenso wie die errichtende Solarkraft-Firma. So weit der Plan.

Die Fragen, mit denen wir uns auf den Weg nach Ternitz machten, zielten darauf ab, in Erfahrung zu bringen, was die BürgerInnen der Stadtgemeinde überhaupt dazu bewogen hatte, sich an der Errichtung des Solarkraftwerks finanziell zu beteiligen. Waren in Ternitz etwa besonders viele KlimaschützerInnen zuhause? Hatte es dort eine große, „grüne” Bewegung gegeben? Waren es einzelne Umweltbewegte, die einen Vorstoß in Richtung erneuerbarer Energieerzeugung gemacht hatten? Wir wussten es nicht, und stellten unsere Vermutungen an. Und doch wurden wir letztlich überrascht.

Bevor wir uns zum ersten Mal auf den Weg von Wien nach Ternitz machten, versuchten wir, Kontakt zu relevanten Stakeholdern des BürgerInnen-Solarkraftwerks herzustellen. Es wurde mit der Betreibergesellschaft telefoniert, die nicht nur in Ternitz, sondern in einer ganzen Reihe österreichischer Städte und Gemeinden vergleichbare Projekte realisiert hatte. Das Unternehmen vertrat leider die Ansicht, unser Forschungsprojekt nicht unterstützen zu können. Auch die unterschiedlichen Parteifraktionen im Gemeinderat reagierten verhalten auf unser Forschungsinteresse und stellten nur zögerlich Kontakt zu BürgerInnen her, die sie für auskunftsfreudig hielten. Auf einen Aufruf in der örtlichen Lokalzeitung, sich an Interviews und Fokusgruppen-Diskussionen für das irische Forschungsprojekt zu beteiligen, reagierte niemand.

Letztlich ließen sich immerhin drei sozialwissenschaftliche Interviews vor Ort vereinbaren. Wir sprachen mit dem ehemaligen Stadtamtsdirektor, der zur Zeit des Projektbeginns 2012/2013 projektverantwortlich für die Umsetzung der BürgerInnenbeteiligung war. Wir sprachen mit der Umweltstadträtin. Wir sprachen mit einem Bürger der Stadtgemeinde, der dem Projekt zwar sehr offen gegenüberstand, sich selbst jedoch finanziell nicht beteiligt hatte.

Schnell zeigte sich, weshalb das Interesse, sich am Forschungsprojekt zu beteiligen, einfach in dem man uns eine Reihe von Fragen beantwortete, so verhalten war. Für die Beteiligten ging es bei dem Solarkraftwerk ganz offenkundig nicht zwingend um einen wichtigen Beitrag zur Energiewende, um ökologischen Engagement oder bürgerliches Engagement im idealistischen Sinne. Übereinstimmend vermittelten die Befragten den Eindruck, es habe sich bei dem Projekt um eine willkommene finanzielle Anlagemöglichkeit mit guter Rendite gehandelt.

Dieser Zweckrationalismus erschien uns in einer ersten Analyse unserer Ergebnisse zwar schlüssig, überraschte uns aber zugleich. Aus einer analytischen, interpretativen Perspektive hatten wir die Solarkraft als eine Art „Symbol-Technologie” der Energiewende offenbar überschätzt. Es zeigte sich in den Interviews auch, weshalb unsere Aufrufe, sich an unseren qualitativen Erhebungen zu beteiligen, in Ternitz kaum verfingen. Eine jener wichtigen “Driving Forces” für den Erfolg des BürgerInnen-Beteiligungsprojekts war die finanzielle Rendite des Projekts — also Geld. Und über Geld wird bekanntlich nicht gerne ganz offen gesprochen, wie die Interviewten übereinstimmend erklärten.

Eine tiefergehende Analyse der Ergebnisse unserer qualitativen Interviews wird im Rahmen des Forschungsprojekts energyPOLITIES am University College Cork erfolgen. Unabhängig davon legen unsere Erfahrungen in Ternitz nahe, dass einer der größten Antreiber der Energiewende auf lokaler Ebene im materiellen, finanziellen Nutzen einzelner Haushalte besteht. Das gilt nicht nur für die Errichtung individueller Solaranlagen oder anderer Anlagen zur dezentralen, regenerativen Energieerzeugung, sondern auch für BürgerInnen-Beteiligungsprojekte. Die Gespräche in Ternitz legen auch nahe, dass die Bereitschaft zur finanziellen Partizipation an BürgerInnen-Beteiligungsprojekten groß ist, wenn der Preispunkt der Beteiligung so niedrig liegt, dass ein Investment auch für Haushalte mit mittlerem Einkommen attraktiv ist.

Dass Beispiel Ternitz zeigt, dass Energiewende-Projekte nicht jenen Kristallisationspunkt politischer Nachhaltigkeits-Debatten darstellen müssen, als der sie vielfach erscheinen. In Ternitz wurde das BürgerInnen-Solarkraftwerk nicht als ein (partei)politisches Projekt wahrgenommen. Das trug zu seinem Erfolg möglicherweise bei. Das Projekt blieb ohne größeren, offen artikulierten Widerstand. Während die Energiewende noch immer hie und da in Stocken zu geraten scheint, verlief das Ternitzer Projekt reibungslos — zumindest bisher. Auffällig emotionslos wird das Energiewende-Projekt in der niederösterreichischen Stadtgemeinde diskutiert. Das hat das Team von Oikoplus sowie unsere Kollegen vom University College Cork beeindruckt und überrascht.

Das Projekt energyPOLITIES auf Twitter / Text: Thomas Stollenwerk, Oktober 2019

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