Fünf Gründe, weshalb Journalismus das Vermitteln von Metathemen schwerfällt

Oikoplus
4 min readSep 1, 2020

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Metathemen wie Digitalisierung oder Klimawandel zu vermitteln, fällt dem Journalismus häufig nicht leicht. Und dafür gibt es gute Gründe.

Ich wurde neulich gebeten, an einer Podiumsdiskussion an der Universität für Bodenkultur in Wien teilzunehmen. Es ging um die Vermittlung von Metathemen und ich sollte etwas aus der Perspektive des Journalismus dazu beitragen. Aus meinen Thesen und Argumenten habe ich eine Liste gemacht. Es geht um Journalismus, Wissenschaftskommunikation und darum, dass alles immer so kompliziert ist.

Da ist zum Ersten die Ökonomie der Medien, die heute oft schnelle, preiswerte Geschichten belohnt. Um große Zusammenhänge wirklich deutlich zu machen, sind meistens aufwändige, lange Recherchen notwendig. Wenn es um globale Phänomene und Zusammenhänge geht, sind kostspielige Recherchereisen nötig. Zu einem ausgewogenen Artikel, der ein Thema umfassend beleuchtet, gehören oft gleich mehrere Interviews, Reportage-Elemente, recherchierte Fakten, nicht zuletzt Bildmaterial. Wenn solche aufwändigen und teuren Inhalte dann in den Social Networks mit lustigen Listicles und Infotainment konkurrieren, haben sie es nicht automatisch leichter. Damit kann man nicht alles entschuldigen, aber man sollte sich das klar machen. Es gibt natürlich auch heute noch Platz für ausführlichen Long Reads zu Metathemen. Zum Klimawandel, zum Umweltschutz, zum Grundeinkommen, zum Weltfrieden. Aber zur Rolle des Journalisten gehört es heute nicht selbstverständlich dazu, die Ressourcen zu haben, um sich diesen Themen eingehend und mit langem Atem zu widmen. Ob das jemals anders war, ist wohle eine andere Diskussion.

Dann ist da die Komplexität von Metathemen. Sie macht es dem Journalismus nicht leicht. Da schreibt man als Journalist dann zum Beispiel einen Artikel darüber, dass der Tourismus in den vergangenen Jahren ganz enorm zum Wachstum in Schwellen- und Entwicklungsländern beigetragen hat, gleichzeitig muss man aber Anmerken, dass der Tourismus natürlich ein großer Treiber von Treibhausgasemissionen und Ressourcenverbrauch ist. Da stellt sich dann für den Journalisten oder die Journalistin schnell die Frage, ob ein Artikel, der sich auf eine Metaebene begibt, wirklich mit ausreichender Sorgfaltspflicht zu bewältigen ist, oder ob man sich nicht besser für einen Teilaspekt — zum Beispiel den Tourismus und seine Wirkung in der Armutsbekämpfung oder eben den Tourismus und seine Wirkung auf Umwelt und Klima — zu entscheiden. Metathemen anhand einzelner Beispiele zu erklären, ist oft nicht so simpel, dass journalistische Formate dafür jederzeit geeignet sind. Komplexität ist nicht unterhaltsam. Und Journalismus soll auch unterhalten.

Ein Problem ist zunehmend auch die Art der Expertise von Journalisten. Wenn man sich ansieht, wie heute Journalisten ausgebildet werden, nämlich vielfach in Journalismus-Studiengängen, stellt man sich die Frage, ob man so tatsächlich zu einem Journalismus kommt, der Fachwissen über die Inhalte und Fachwissen über die Techniken ihrer Vermittlung ausgewogen verbindet. Journalismus als FH-Studium ist im Grundsatz nichts Unsinniges. Nur reicht ein FH-Studium im Journalismus allein vielleicht nicht zwingend aus, um Metathemen journalistisch greifbar machen zu können. Wenn politischer Journalismus, der sich auf eine Metaebene begibt, zunehmend zum Feuilleton-Thema wird, und im Politikteil nur noch die Vermittlung von Tages- und Parteipolitik thematisiert wird, dann ist das vermutlich auch eine Folge davon, dass Journalismus den technischen Aspekten von Vermittlung näher ist als den inhaltlichen Aspekten selbst.

Emotionalität ist ein weiteres großes Thema. In den letzten Monaten haben wir überall davon gelesen, dass die Welt sich in einer postfaktischen Ära befinde, und dass „gefühlte Wahrheiten“ und Emotionen immer wichtiger würden, während Fakten es im Diskurs immer schwerer hätten. Stimmt womöglich. Allerdings wird uns dieser Zusammenhang ganz häufig von Journalistinnen und Journalisten vermittelt, die uns im selben Atemzug davon erzählen, wie es ihnen mit dieser Entwicklung geht, wie sie sich dabei fühlen, und wie problematisch sie das persönlich finden. Dass der Journalismus sich als Reaktion auf lügende Politiker auf die Fahne schreibt: Jetzt berichten wir einmal ganz stark anhand von Fakten, ist eher selten die Konsequenz. Ein faktenbasierter Journalismus ist eben nicht nur Fact-Check und Datenanalyse. Eine faktenbasierter Journalismus müsste Subjektives und Emotionales auch ganz generell nicht so wichtig nehmen.

Die Unterschiede in der Logik von Wissenschaft und Journalismus sind ein weiteres ganz großes Problem, das der Journalismus bei der Vermittlung großer Metathemen hat. Selbst sehr seriöse Medien haben in ihrem Wissenschaftsteil Schlagzeilen, bei denen jeder Wissenschaftler im ersten Moment denkt: „So ein Blödsinn.“ Damit aus einer Studie mit dem Titel X eine Headline wird, die Y lautet, ist eine Boulevardisierung von Wissenschaft nötig. Und diese Boulevardisierung gelingt nicht immer. Wenn ein Thema sich nicht in griffige Headlines gießen lässt, dann hat es ein Thema schwer. Eine Eigenart komplexer Metathemen ist es, komplexe Fragen aufzuwerfen. Und für komplexe Fragen haben nur Populisten simple Antworten. Das führt im Journalismus zu einer leichten Tendenz in Richtung Populismus, die dann besonders deutlich wird, wenn es um komplexe Zusammenhänge geht — eben um das, was ich hier Metathemen nenne.

Text: Thomas Stollenwerk, August 2017

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