Das SYNCITY-Projekt: Worum es dabei auch (irgendwie) geht

Oikoplus
3 min readSep 2, 2020

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© Itchy Feet Comics / Malachi Ray Rempen

Wir helfen einem Stadtteil dabei, selbstbestimmt seine Rolle zu definieren.

Seit einiger Zeit kursiert im Internet dieser fiktive Stadtplan einer typischen, europäischen Großstadt. Die Karte ist so etwas wie die Karikatur eines Stadtplans. Ausgedacht hat sie sich 2018 der Künster Malachi Ray Rempen. Wie bei jeder guten Karikatur, wird darin auf Tatsächliches angespielt, und es wird humorvoll überzeichnet. Der Stadtplan jeder europäischen Stadt spielt auf die Gemeinsamkeiten europäischer Metropolen an, auf die touristischen Muster, die sich in ihnen beobachten lassen, auf die Muster in der Entwicklung ihrer Innenstädte, auf Gentrifizierung, ökonomischen Strukturwandel, auf Kommerzialisierung usw.

Damit spielt der Stadtplan jeder europäischen Stadt auch auf Bereiche an, mit denen sich das Projekt SYNCITY anhand des Brüsseler Stadtteils Cureghem beschäftigt. Wo läge Cureghem innerhalb jener Karikatur eines Stadtplans, und wo könnte es in zehn Jahren liegen? Als industriell geprägter Stadtteil müsste Cureghem vermutlich irgendwo am Rand der Karikatur liegen. Aber müsste Cureghem in naher Zukunft dort liegen, wo laut Karikatur Hipster in günstigen Wohnungen leben? Oder dort, wo gesichtslose Büroflächen liegen? Oder einfach außerhalb der Karikatur, in einem für touristische und karikative Zwecke eher uninteressantem Teil Brüssels?

Das sind Fragen, denen sich das Projekt SYNCITY annähert — auch wenn es im Projekt natürlich nicht darum geht, den Stadtteil Cureghem innerhalb der besagten Karikatur zu verorten. Die Karikatur dient dazu, Prozesse europäischer Stadtentwicklung auf plakative und lustige Art zu veranschaulichen — mit zynischem Blick. SYNCITY dient dazu, partizipative Verfahren im Rahmen von Stadtentwicklung auszuprobieren und zu erforschen, um herauszufinden, wie sehr sich die Entwicklung eines Stadtteils von seinen Bewohnern beeinflussen lässt, und ob sie daran überhaupt ein Interesse haben — mit analytischem Blick.

Um im Bild der Karikatur zu bleiben, geht es bei SYNCITY also darum, auf unterschiedliche Art und Weise die Frage zu stellen, wo Cureghem und seine Bewohner sich selbst auf der Karte jeder europäischen Stadt sehen, und wo sie Cureghem in naher Zukunft gerne sehen würden.

Natürlich ist das nicht die einzige Frage, die darüber entscheidet, wo man Cureghem verorten muss, innerhalb des Rahmens der Karikatur. Darüber entscheiden ganz unterschiedliche Konstellationen von Interessen und Einfluss, von Geld und Macht, die sich in der Stadtplanung und –Architektur niederschlagen. Die unterschiedlichen Ansprüche an Cureghem als Stadtraum sichtbar und verstehbar zu machen — das ist das Ziel von SYNCITY. Und da Cureghem ein großer Stadtteil ist, wurden dafür drei verschiedene Orte innerhalb des Stadtteils ausgewählt. Das sind das Abbattoir d’Anderlecht, der größte innerstädtische Schlachthof Europas, der noch in Betrieb ist, die Rue Dr de Meersman, in deren Mitte eine Kirche steht und die eigentlich auch ein Platz sein könnte, und die Chaussee de Mons, eine Einkaufsstraße im Herzen des Viertels.

An diesen Orten möchte das Projektteam mit den Menschen in Cureghem in Kontakt kommen, um ihre Ansprüche an städtischen Raum in Urban Labs zu diskutieren. Dabei geht es ums große Ganze, aber auch um spezifische Aspekte, etwa um den Umgang mit Müll im öffentlichen Raum. Schwelende Raumkonflikte sollen sichtbar gemacht werden, um sie für öffentliche Diskussionen zugänglich zu machen.

SYNCITY ist ein offener Prozess. Was am Ende des Projekts steht, wird sich zeigen. Im Idealfall trägt SYNCITY dazu bei, dass es möglichst vielen Menschen leichter fällt zu sagen, wo sie Cureghem in einer Karte jeder europäischen Stadt verorten würden — im humorvollen Sinne; und wo sie Cureghem innerhalb Brüssels sehen — ganz in echt.

Das Projekt SYNCITY — Synergetic Cities for Europe erhält Mittel aus dem Program JPI Urban Europe.

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